Der Stoff, aus dem die Klimaschutz-Träume sind

Ob als umweltfreundlicher Treibstoff oder Speicher grüner Energien: Wasserstoff gilt als Heilsbringer der angestrebten Klimawende. Hier lesen Sie, warum.

800 PS, 250 km/h Höchstgeschwindigkeit, von 0 auf 100 in unter drei Sekunden – was auf den ersten Blick nach einem klimaschädlichen Autovergnügen klingt, könnte die umweltfreundliche Zukunft des Motorsports sein. Denn diese Leistungsdaten gehören zu einem Prototyp der sogenannten HYRAZE League. Das HY im Namen steht für „Hydrogen“, also Wasserstoff, RA für „Racing“ (Rennsport) und ZE für „Zero Emission“ gleich null Schadstoffausstoß. Alle Fahrzeuge, die bei der weltweit ersten Wasserstoff-Automobilrennserie ab 2023 ins Rennen gehen wollen, dürfen ausschließlich von Elektromotoren angetrieben werden, deren Strombedarf während der Fahrt mithilfe von zwei Brennstoffzellen aus Wasserstoff gedeckt wird. Die innovative Rennserie soll nicht nur dem Motorsport mehr Popularität und neue Fans verschaffen, sondern auch eine Vorreiterrolle für die Entwicklung von mit Wasserstoff angetriebenen Straßenfahrzeugen einnehmen. Denn die gelten vielen Experten als wichtiger Baustein auf dem Weg zu einer klimafreundlicherenMobilität. 

H wie Hoffnung

In das kleinste chemische Element, mit einem H für lateinisch Hydrogenium abgekürzt, werden derzeit weltweit großeHoffnungen gesetzt. Es geht dabei vor allem um seine Funktion als klimafreundlicher Energieträger beziehungsweise –speicher, denn Wasserstoff kann Energie speichern und wieder freigeben, ohne dabei CO2 auszustoßen.

Gewonnen wird Wasserstoff, indem man mittels Elektrolyse Wasser (H2O) in seine Bestandteile Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O) aufspaltet. Die dafür notwendige elektrische Energie wird dabei in chemische Energie umgewandelt und im Wasserstoff gespeichert. Durch die Reaktion mit Sauerstoff kann diese Energie bei Bedarf wieder in Strom zurückgewandelt werden. Im Fachjargon heißt das Rückverstromung. Genau das geschieht in einer Brennstoffzelle in einem Auto. Aus dem Auspuff kommt dabei statt klimaschädlichem Kohlendioxid (C02) lediglich Wasserdampf. Die Vorteile dieser Technologie gegenüber dem Batteriebetrieb sind vielfältig: Wasserstofftanks und ihr Inhalt sind leichter als Akkus, das Tanken von Wasserstoff dauert nur wenige Minuten und die Reichweite einer Tankfüllung ist aktuell größer als die einer Batterieladung. Richtig sauber ist das Ganze allerdings nur, wenn auch der zur Wasserstoffproduktion eingesetzte Strom aus regenerativen Quellen wie Photovoltaik- oder Windkraftanlagen stammt. Dann spricht man von grünem Wasserstoff.

Eine Tonne Wasserstoff enthält chemisch gesehen eine Energiemenge von 33.330 Kilowattstunden. Das entspricht dem durchschnittlichen Strom-Energieverbrauch von 11 Drei-Personen-Haushalten in einem Mehrfamilienhaus, so der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschafte.V..

Fliegen ohne Flugscham

Wichtige Einsatzgebiete für Brennstoffzellen sehen Experten zunächst im öffentlichen Nahverkehr sowie beim Gütertransport auf der Straße, der Schiene und dem Wasser. In Niedersachsen und Hessen sind abseits von Oberleitungsstrecken bereits Züge unterwegs, die anstelle von Diesel mit Wasserstoff betrieben werden. Der europäische Flugzeughersteller Airbus plant, bis 2035 das erste emissionsfreie wasserstoffbetriebene Verkehrsflugzeug an den Start zu bringen – „Flugscham“ ade!

Der Stoff, aus dem die Träume der Klimaschützer sind, hat noch etliche weitere Anwendungsgebiete: Im Stromsystem ermöglicht Wasserstoff, dass die Energie aus regenerativen Quellen langfristig gespeichert werden kann, ohne dass dafür Massen von Batterien benötigt werden, deren Produktion und Entsorgung die Umwelt belasten. So kann mit Brennstoffzellenheizungen aus grünem Wasserstoff gleichzeitig CO2-frei Strom und Wärme für Haushalte erzeugt werden. Die bei der Wasserstoffherstellung entstehende Abwärme kann ebenfalls zum Heizen genutzt werden. Zudem taugt grüner Wasserstoff als klimafreundlicher Grundstoff für andere gasförmige und flüssige synthetische Energieträger und Grundchemikalien, wie sie in Raffinerien oder der chemischen Industrie benötigt werden.

Deutschland auf dem Weg

Wasserstoff kann der Wegbereiter für einen großen wirtschafts- und energiepolitischen Umbruch sein. Im Juni 2020 hat die Bundesregierung deshalb die Nationale Wasserstoffstrategie verabschiedet. Oberstes Ziel der Strategie: Deutschland soll mithilfe der im Prinzip unbegrenzt verfügbaren Energiequelle die Energiewende schaffen und seine Klimaziele erreichen. Um dies zu gewährleisten, stellt die Bundesregierung bis 2030 insgesamt neun Milliarden Euro zur Verfügung. Mit mehr als sieben Milliarden Euro sollen der Bau von Wasserstoffproduktionsanlagen und der Einsatz von Wasserstoff gefördert werden. Hinzu kommen zwei Milliarden Euro für Kooperationen zum Import von Wasserstoff.

Sie möchten mehr über das Thema Wasserstoff erfahren? Dazu finden Sie auf der Internetseite des Bundesverbands für Energie-und Wasserwirtschaft e.V ein Erklärvideo.

Übrigens:

Dass die Sache mit dem Wasserstoff mal etwas ganz Großes werden könnte, ahnte übrigens schon vor mehr als 150 Jahren der französische Schriftsteller Jules Verne voraus. 1870 schrieb er in seinem Buch „Die geheimnisvolle Insel“: „Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern.“ Der Science-Fiction-Pionier sollte es wissen, schließlich nahm er auch schon die Mondfahrt rund 100 Jahre vorweg.